Wir, die MENSCHHEIT, haben uns eingerichtet; individuell in unseren Behausungen und auf dem Planeten Erde. Jeder Organismus in der eigenen Lebens-Nische. Wir leben MITEINANDER, nebeneinander, aufeinander und zuweilen sogar ineinander: Vom Parasit im Fell bis zum Mikrobiom, das in unglaublicher Vielzahl unseren Körper bevölkert und damit BewohnerInnen zum Wohnort macht. Wir sitzen ALLE IM SELBEN RAUMSCHIFF Erde, bewohnen alle den selben Planeten und leben doch in ganz verschiedenen Welten.
Habitat Eine interaktive Installation
Habitat (lat. habitare »wohnen«) wird in der deutschen Sprache schlicht mit dem Wort »Lebensraum« übersetzt. Doch welche Qualitäten machen diesen Lebensraum aus? Dieser Frage nähern wir uns gemeinsam mit den Besucherinnen und Besuchern des >KIOSK, einem Stadtlabor in Wuppertal.
Mit der gemeinsamen Arbeit HABITAT wird die westliche, human-zentrierte Perspektive, die in unseren Breitengraden dominant ist, charmant herausgefordert. Gezeigt wird eine collagenhafte Gegenüberstellung diverser Formen des Wohnens unterschiedlichster Dimensionen. Ausgewählte Fotografien internationaler Fotograf*innen werden dabei gleichwertig und unkommentiert nebeneinander gestellt und folgen dennoch einer subtilen Dramaturgie. Sie laden die Betrachtenden ein, die verschiedenen Makro- und Mikroebenen des (Be)Wohnens selbst zu erkunden und ein alltägliches Phänomen mit anderen Augen zu sehen.
Research
through Design
Diese künstlerische Intervention erlaubt eine sehr persönliche, subjektive Auseinandersetzung mit einem komplexen, vielschichtigen Thema und macht die Ergebnisse dessen gleichzeitig für andere sichtbar. Dieser inklusive kollektive Forschungsansatz basiert auf gleichzeitiger, individueller Expression und macht Vielfalt sowie Unterschiedlichkeit sicht- und verhandelbar. Sie macht Besuchende, die in der Regel Empfänger_Innen sind, zu Sender*innen: Auf diese Weise wird die individuelle Reflexion nach außen getragen; ein innerer Mono-log zum spielerischen Multi-log. Das Forschungsdesign ermöglicht eine gemeinsame Co-Design-Erfahrung, indem es die Möglichkeit bietet, aktiv an der Gestaltung der Rahmenbedingungen teilzunehmen. Der teils kontextbezogene Input dient als Samen für neue Ideen und Perspektiven und erlaubt neue Blickwinkel auf Altbekanntes.

Während die 400 Fotografien umfassende Bildkulisse die facettenreichen, parallel existierenden Dimensionen des (Be)Wohnens visualisiert, zielen die zufällig gezogenen Fragen und Aussagen auf eine Reaktion bei den Besucher*innen ab. Dadurch werden diese eingeladen, das Gesamtbild anhand spezieller Linsen genauer zu betrachten, um der eigenen Assoziationskette anschließend freien Lauf zu lassen. Auf diese Weise nutzt die Installation Bilder als Wortauslöser. Gleichzeitig bringt sie Worte als Bildauslöser in Aktion und setzt beide Sphären produktiv miteinander in Beziehung.

Das Suchen passender Gegenstücke verführt die Besuchenden charmant dazu, Position zu beziehen, ohne moralisch darüber zu urteilen. Durch die Kombination von Text und Bild verändern die Besucher*innen das Werk und eignen es sich nach und nach an. Infolgedessen entsteht vor Ort eine temporäre Dynamik, die wiederum auf die Reaktionen des Publikums zurückwirkt und zur Teilhabe am Prozess der Umgestaltung einlädt. Die sichtbar gemachten Assoziationen aller Anwesenden werden als Trigger und Ausgangspunkt des Miteinander-ins-Gespräch-Kommens genutzt, tragen implizites Wissen nach außen und verdeutlichen die selbstverständliche Anwesenheit parallel existierender Perspektiven.

Wer nach der eigenen Meinung gefragt wird, antwortet wahrheitsgemäß und selbstbewusst
sofern die Teilnehmenden das ehrliche Interesse der Fragenden verspüren und sich sicher sein können, dass ihre Perspektive ohne Hintergedanken angenommen, und auf diese Weise bedingungslos wertgeschätzt wird. Indem gezielt eine Atmosphäre des respektvollen Miteinanders geschaffen wird, erlaubt diese Methode der experimentellen Designforschung ungefilterte Einblicke in die Denkweisen der Befragten und ermöglicht einen offenen Austausch über vorhandene Ideen- und Interessenlandschaften. So machen wir kontextsensitiv sichtbar, was in der Regel unausgesprochen bleibt aus Scheu, aufgrund hemmender Hierarchien oder aus Ratlosigkeit darüber, wie die eigene Perspektive gegenüber anderen zielführend formuliert werden könnte. Nur, was für alle sichtbar ist, kann von allen verstanden, untersucht und besprochen werden: Wir möchten diese Form der spielerischen Auseinandersetzung mit komplexen Themenclustern als Vehikel nutzen und einen Katalysator zur Verfügung stellen, der produktive Aus- und Verhandlungsprozesse in Gang setzt.

Das Habitat ist mehr als ein interaktives Kunstwerk, es ist intuitives Umfragetool, Stimmungsbild-Generator und partizipatives Denkwerkzeug.
Der partizipative Aspekt ist bei diesem von uns entwickelten Format zentral. Betrachter*innen werden zu Mitmacher*innen und können so individuelle Spuren hinterlassen. Gleichzeitig erzeugt die Summe der Beiträge auch ein einzigartiges, dynamisches Gesamtbild. Durch dieses lassen sich Rückschlüsse auf die Meinungen, die Weltsicht und die Werte der Teilnehmenden ziehen. Unsere Research-Methode ist skalierbar und übertragbar auf andere Themen und Kontexte. Unterschiedliche Fragestellungen und Themen können auf diese Art beleuchtet und in Gruppen exploriert werden.
Voices
Die Frage in der Hand zu haben hat mich dazu gebracht mir nicht nur die Bilder anzusehen sondern mir auch die Geschichten hinter den Bildern vorzustellen /// Um die Frage zu beantworten bin ich auf die Leiter gestiegen um mir die Bilder ganz oben anzusehen. Schließlich wollte ich das am besten passende Bild finden ///
Schön, dass man auch mal selbst was  tun darf und sich einbringen kann  /// Durch den Arbeitsauftrag hat mich sich auf jeden Fall länger mit der Installation beschäftigt als man es sonst getan hätte  /// Die Vielfalt der Bilder löst ein gewisses Fernweh aus -- obwohl man danach eigentlich keine Weltreise mehr machen muss, da man hier ohnehin schon alles gesehen hat.
Über Uns
Die Transformationsdesigner*innen Julia Senft, Lucas Kuster und Philipp Rösler untersuchen die großen Fragen rund um allgegenwärtige Veränderungen und beschäftigen sich mit Voraussetzungen und Möglichkeiten des ökologisch und sozial gerechten Wandels. Sie bewegen sich dabei an der Schnittstelle zwischen Kunst, Design und Wissenschaft.
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